Herausforderungen und Lösungen zum wachsenden Nutzfahrzeugverkehr in Städten
20 novembre 2023 | Martin Ruesch, Jan Lordieck (Rapp AG)
Der Verkehr mit leichten Nutzfahrzeugen nimmt stark zu. Der Einsatz von leichten Nutzfahrzeugen und insbesondere von Lieferwagen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Haupttreiber für diese Entwicklung sind die allgemeine Wirtschaftsentwicklung, der schnell wachsende Versandhandel mit steigenden Kundenanforderungen, die Verringerung der Lagerhaltung durch Just-in-time-Lieferungen und auch die rege Bautätigkeit infolge Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums. Gemäss den Verkehrsperspektiven 2050 des Bundes wird die Fahrleistung der Lieferwagen bis 2050 um 58% weiter stark zunehmen; das Segment der Kurier- und Expressdienste (KEP) sogar um über 150%. Gemäss neueren Trend- und Auswirkungsanalysen zum Einsatz leichter Nutzfahrzeuge (vgl. Forschungsbericht zur Bedeutung von leichten Nutzfahrzeugen, siehe Links am Schluss) wird der Verkehr mit Kleinfahrzeugen, wie z.B. Cargo-Bikes oder Elektro-Rikschas sogar noch stärker anwachsen als der Lieferwagenverkehr. Neben der Anzahl Fahrzeuge nehmen auch die Fahrleistungen und die Anzahl Stopps für das Halten und Parkieren stark zu.
Herausforderungen in den Städten
Im Zuge des Forschungsprojekts wurden Online-Befragungen bei Fahrzeughaltern, Begleitfahrten mit Lieferwagen und Cargo-Bikes sowie Interviews mit Akteuren der Wirtschaft und Verwaltung durchgeführt. Daraus wird ersichtlich, dass die wesentlichen Herausforderungen in der zunehmenden Beanspruchung des öffentlichen Raums und der Verkehrswege, bei Konflikten mit weiteren Verkehrsteilnehmern (inkl. Verkehrssicherheitskonflikte) sowie bei den verursachten Umweltbelastungen (Lärm, Luftschadstoffe, Treibhausgasemissionen, etc.) liegen. Aus Sicht der Wirtschaftsakteure sind insbesondere die fehlenden Halte- und Parkmöglichkeiten, Einschränkungen durch Lieferzeitfenster sowie die Vollzugspraxis mit Ausnahmebewilligungen ein Problem. Davon ist sowohl der Güterverkehr als auch der Dienstleistungsverkehr mit und ohne Waren betroffen (z.B. Bauhandwerker).
Für die politische Diskussion und die Massnahmenentwicklung ist es wichtig zu wissen, dass nicht der gesamte Verkehr mit Lieferwagen bzw. mit leichten Nutzfahrzeugen Güterverkehr ist. Eine anfangs 2022 durchgeführte Befragung von Haltern von Lieferwagen hat gezeigt, dass der reine Güterverkehr nur etwa 1/3 der Fahrleistungen mit Lieferwagen ausmacht, rund 30% des Lieferwagenverkehrs sind Dienstleitungsverkehr mit Waren (z.B. Bauhandwerkerverkehre mit Waren) und rund 35% sind Dienstleistungsverkehre ohne Waren (z.B. Handwerkerverkehre ohne Waren).
Definitionen aus ARE-Studie zum Wirtschaftsverkehr, 2022:
Güterwirtschaftsverkehr: Ortsveränderungsprozesse von Gütern, die im Rahmen der Herstellung und des Vertriebs bzw. zur Ver- und Entsorgung von Wirtschaftseinheiten (Industrie, Bau-/Gewerbe, Handel) stattfinden und in deren Verantwortungsbereich fallen.
Dienstleistungsverkehr mit Waren: Verkehre, die eine Mischform aus Dienstleistungsverkehr- und Güterwirtschaftsverkehr darstellen. Ziel des Verkehrs ist die Erbringung einer Dienstleistung an einem Bestimmungsort in Verbindung mit mitgeführten Gütern und nicht der eigentliche Warentransport.
Dienstleistungsverkehr ohne Waren: Verkehre, deren Hauptzweck der Personentransport zur Ausübung einer Dienstleistung ist und im Verantwortungsbereich der beauftragten Wirtschafts- oder Verwaltungseinheiten stattfindet. Dabei werden keine Waren transportiert. Hilfs- oder Verbrauchsmittel (auch als nichtmarktbestimmte Güter bezeichnet) können im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung mitgeführt werden. Alternativ wird dieses Segment auch als Geschäftsverkehr bezeichnet. Der Berufspendelverkehr ist hierbei ausgeschlossen.
Personenwirtschaftsverkehr: Der Personenwirtschaftsverkehr umfasst den kommerziellen Personentransport, der gegen Entgelt angeboten wird, aber nicht im Rahmen des konzessionierten öffentlichen Verkehrs erbracht wird.
Erfolgversprechende Stossrichtungen und Handlungsoptionen
Die identifizierten zentralen Herausforderungen können mit zahlreichen Handlungsoptionen angegangen werden; insgesamt werden im Forschungsbericht rund 30 Handlungsoptionen in sieben Stossrichtungen aufgezeigt. Zu diesen gehören
(1) Bessere Berücksichtigung des Güterwirtschaftsverkehrs und des Dienstleistungsverkehrs in der Planung,
(2) Bessere Verfügbarkeit von Halte- und Parkflächen für den Verkehr mit leichten Nutzfahrzeugen,
(3) Optimierung Zutrittsbedingungen für leichte Nutzfahrzeuge,
(4) Optimierung und Reduktion der Flächenansprüche am Lieferort für Be- und Entlad durch Anpassung der Lieferstrategien,
(5) Reduktion der Umweltbelastungen durch leichte Nutzfahrzeuge,
(6) Erhöhung der Verkehrssicherheit von leichten Nutzfahrzeugen
(7) Minimierung und Vermeidung von Lieferverkehr.
Die meisten der 30 Handlungsoptionen betreffen eher oder ausschliesslich den Güterverkehr. Keine der Handlungsoptionen kann als Allheilmittel angesehen werden, die Massnahmen wirken eher spezifisch auf verschiedene Herausforderungen. Ebenso ist festzuhalten das keine Massnahme allein das Potenzial hat grosse Reduktionen der Fahrleistung oder der Stopps zu erreichen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, die Abwicklung des Verkehrs mit leichten Nutzfahrzeugen verträglich zu gestalten. Dazu dient insbesondere die Handlungsoptionen zur besseren Verfügbarkeit von Halte- und Parkmöglichkeiten, beispielsweise Einrichten von Ladezonen für den Lieferverkehr sowie die bessere Bereitstellung von Informationen zu freien Halte- und Parkflächen für den Wirtschaftsverkehr. Im Bereich des Handwerkerverkehrs erfolgsversprechend ist die Konsolidierung und Optimierung von Baustellenverkehren. Dies bei mittleren und grösseren Baustellen.
Das ASTRA Forschungsprojekt «Heutige und künftige Bedeutung des leichten Nutzfahrzeugverkehrs (Lieferfahrzeuge)» hatte zum Ziel, Segmente für den Einsatz leichter Nutzfahrzeuge und deren Relevanz, massgebende Einsatzprofile für leichte Nutzfahrzeuge, Trends und Entwicklungen mit Einfluss auf den Einsatz von leichten Nutzfahrzeugen sowie Handlungsoptionen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft zu identifizieren, welche den Einsatz von leichten Nutzfahrzeugen effizienter, nachhaltiger und sicherer gestalten. Der Bericht enthält auch ausgewählte Praxisbeispiele.
Weiterführende Informationen: