Geschützte Radstreifen im Velolabor in Zürich
30. Mai 2023 | Dave Durner, Stadt Zürich
Geschützte Radstreifen (protected bike lanes) werden zurzeit von vielen Seiten gefordert. Aber sind sie effektiv geeignet, konkrete Konfliktpunkte zu entschärfen? Und was halten die Velofahrer*innen davon? Von Frühling bis Sommer 2022 führte die Stadt Zürich an der Baslerstrasse zusammen mit der verkehrsteiner AG und der ZHAW ein Pilotprojekt mit geschützten Radstreifen durch.
Das Einkaufszentrum Letzipark generiert viel Autoverkehr auf der Baslerstrasse und der Velovorzugsroute «Altstetten – Kreis 4» in Zürich. Leider nehmen die Autofahrer*innen beim Befahren und Queren des rund zwei Meter breiten, rot eingefärbten Radstreifens nicht immer genügend Rücksicht auf den Veloverkehr. Eine ausführliche Videoanalyse im September 2021 zeigte, dass im Durchschnitt eine von fünf Begegnungen zwischen Auto und Velo konflikthaft verlief. Auch wenn bis dahin keine Unfälle verzeichnet wurden, war klar: Es braucht eine Lösung für mehr Sicherheit.
Die Versuchsanordnung
Für die Velovorzugsroute sollte unabhängig vom Versuch vor dem Einkaufszentrum Letzipark ein Einbahnregime stadtauswärts eingeführt werden. Beim Pilotversuch ging es deshalb vor allem darum, die Konflikte mit den rechts abbiegenden Fahrzeugen zu entschärfen. Welche Massnahme dazu am besten geeignet ist, wurde in einem dreistufigen Verfahren evaluiert.
Stufe 1: Radstreifen
Sogenannte Schutzstreifen mit durchgezogener Markierung dürfen von Autofahrer*innen nicht befahren werden.
Stufe 2: Radstreifen plus «Schildkröten»
Die «Schildkröten» sollen einerseits die Wirkung der ununterbrochenen Markierung verstärken, andererseits dürfen sie für Velofahrer*innen kein Sturzrisiko darstellen.
Stufe 3: Radstreifen plus Leitbaken
Die auffälligen Leitbaken verunmöglichen einerseits das Befahren des Radstreifens durch Motorfahrzeuge, andererseits erschweren sie für Velofahrer*innen das Abbiegen und Überholen.
Die Resultate
Jede dieser Versuchsphasen wurde analog zur Ausgangslage per Videoanalyse beobachtet. Zusätzlich wurden pro Versuchsphase rund 100 Velofahrer*innen bezüglich ihres subjektiven Sicherheitsempfindens vor Ort befragt.
Für die Videoanalyse wurden jeweils neun Stunden Videomaterial ausgewertet. Die Menge des Motorfahrzeugverkehrs war während der Versuchsanordnungen 2022 etwa 25 Prozent höher als zum Zeitpunkt der Analyse im Herbst 2021. Auch waren in den Versuchsphasen etwas mehr Velos unterwegs. Trotz Mehrverkehr nahmen die Konflikte nicht zu. Zu vermuten ist, dass das höhere Verkehrsaufkommen generell zu mehr Begegnungssituationen von Verkehrsteilnehmer*innen und höherer Aufmerksamkeit sowie folglich zu langsameren Geschwindigkeiten und mehr Vorsicht führte.
Ein Einfluss des Radstreifens mit ununterbrochener Markierung sowie zusätzlich mit Schildkröten auf das Fahrverhalten der Autofahrer*innen war nicht erkennbar. Erst die Leitbaken führten zu einem bewussteren Rechtsabbiegen und verhinderten das schleifende Einfahren und Anhalten auf dem Radstreifen.
Einen positiven Effekt hatten die Leitbaken auch hinsichtlich der Häufigkeit von Konflikten zwischen Velofahrer*innen und rechts abbiegenden Fahrzeugen.
Generell war das Sicherheitsempfinden der befragten Velofahrer*innen auf der Baslerstrasse hoch (4,58 von 6 möglichen Punkten). Während die objektiv feststellbaren Konflikte dank den Leitbaken deutlich reduziert werden konnten, war das subjektive Sicherheitsgefühl bei den Schildkröten am höchsten (5,18 Punkte). Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Am plausibelsten erscheint die Erklärung, dass der Radstreifen mit knapp zwei Metern Breite zu schmal für Ausweichmanöver ist, falls ein solches nötig ist. Auch das Überholen langsamer Velofahrer*innen wird schwierig bis unmöglich.
Das Fazit
Markierungen alleine genügen nicht, um erwünschte Verhaltensänderungen herbeizuführen. Physische Trennungen schützen am besten vor Konflikten mit dem Autoverkehr. Schildkröten bewirken beim Veloverkehr das grösste Sicherheitsgefühl. Im Zweifelsfall sind Leitbaken aufgrund ihrer Schutzwirkung vorzuziehen. Allerdings führen solche Massnahmen zu Mehraufwendungen für den Unterhalt, insbesondere im Winterdienst. Damit sich die Velofahrer*innen jedoch in einem geschützten Radstreifen wohlfühlen, muss er genügend breit sein.